Pestizide, die unterschätzte Gefahr?

v.l.: Helga Werner, Helmut Bär, Tomas Brückmann, Annette Seehaus-Arnold, Daniel Schapawalow

Am 30.10.2015 organisierte der Kreisverband Imker Rhön-Grabfeld e.V. in Zusammenarbeit mit der Kreisgruppe Rhön-Grabfeld Bund Naturschutz eine Informationsveranstaltung zum Thema Pestizide in der Festhalle Heustreu. Ziel der Veranstaltung war es, mit einem Vortrag von Tomas Brückmann (BUND Berlin) die Anwesenden zu informieren und auf die Gefahren des Pestizideinsatzes hinzuweisen. Zudem hatten Vertreter verschiedener Interessengruppen die Gelegenheit durch Stellungnahmen ihre Sicht zur Thematik zu schildern. Die engagierten Beiträge und Fragen einiger Gäste zeigten die Wichtigkeit solcher Informationsveranstaltungen.

Als Vorsitzender der BUND Naturschutz Kreisgruppe Rhön-Grabfeld führte Helmut Bär durch die Veranstaltung. Durch sein diplomatisches Fingerspitzengefühl blieben die Diskussionen zum Einsatz von Pestiziden auf sachlicher Ebene. Er machte zwar die ablehnende Haltung des Bund Naturschutz zum Pestizideinsatz unmissverständlich klar, dennoch betonte, er dass die Veranstaltung nicht dazu diene, Personen bzw. Personengruppen an den Pranger zu stellen.

Vortrag: "Pestizide, die unterschätzte Gefahr?"

Stichpunkte des Vortrags

Der Anstieg der Pestizide in den letzten 10 Jahren beträgt 33,5 %. Es werden 46.326 Tonnen  jährlich ausgebracht.

Einsatz der Pestizide:

  • Größter Teil: Landwirtschaft, hier wird teilweise bis 16 x gespritzt (Kartoffel, Raps)
  • Zur Erntebeschleunigung bzw. gleichmäßiger Reifung
  • Starker Anstieg von Herbiziden und Insektiziden
  • Neonikotinoide 7.000 x gefährlicher als DDT
  • oft Verzicht auf Fruchtfolge
  • Pflegeintensive Kulturen

Forstwirtschaft: Weniger Einsatz von Pestiziden als in der Landwirtschaft

  • Problem: Mäusegift: gefährlich für Nahrungskette (Greifvögel)
  • Problem: Kiefernspanner
  • Neuerdings auch in waldnahen Bereich
  • Spritzen wegen Eigenprozessionsspinner
  • BT: tötet alle Schmetterlingsraupen

Kommunen und Kleingärten:

  • Verstärkt in den letzten Jahren
  • Rundversorgungsmentalität in Haus und Garten
  • Verbot auf Nichtkultur und versiegelten Flächen
  • ALTERNATIVE: „Die pestizidfreie Kommune“

Pflanzenschutzgesetz und Mängel:

  • Sind alle Genehmigungspflichtig
  • Kontrolle: Länder
  • § 9: Sachkundenachweis für gewerbliche Anwender und Händler
  • § 12: nicht auf befestigten Freiflächen und Nichtkulturen (Außenanlagen bei Behörden – Land)
  • §13: Pflanzenschutz darf nicht angewendet werden bei schädliche Auswirkung auf Mensch, Tier, Grundwasser
  • § 18/3 84) Genehmigung erfolgt, wenn keine Auswirkungen auf Gesundheit nachgewiesen werden

Mängel:

  • Kombinationswirkung bei Zulassung nicht berücksichtigt, aber enorm wichtig
  • Subletale Wirkungen unzureichend untersucht
  • Unzureichende Untersuchungen auf sog. Nichtzielorganismen
  • Industrie forscht für die Zulassung selbst und reicht die Unterlagen ein, danach Geheimhaltung der Zulassungsunterlagen

UBA (Umweltbundesamt):

  • Verdeckte Feldbeobachtung: 50 % Falsch- und Fehlanwendung in der Landwirtschaft
  • Mehrfache Applikationen von Pestiziden während einer Fruchtperiode
  • Kaum Kontrollen
  • Pestizidschwarzhandel aus China ( bis 20 %)

Glyphosat:

  • Europaweit im Urin
  • 70 % aller Proben in Deutschland belastet – Platz 2 (1. Platz: Malta)
  • Starker Wasserschadstoff
  • Schädigt Krümelstruktur des Bodens
  • Tötet Darmbakterien bei Rindern (Bodulismus)
  • Nahrungsmangel in der Agrarlandschaft bei Bienen und Vögel (Wildkräuter)

Wissenschaftliche Studien:

  • Uni Koblenz – London 2012
  • Störung des Ökosystems
  • Selbstreinigung der Gewässer verschwindet
  • Uni Koblenz – London 2013
  • Unzureichende Bewertungsmodelle
  • Fledermäuse nicht berücksichtigt – Obstplantagen
  • Rückgang von Vögel, Europaweites Vogelsterben
  • Extrem beim Rebhuhn: 2005 – 2009: Rückgang 80 %
  • Amphibien (2013): tötet 20 – 100 % der Alttiere, Alttiere werden nicht mit einbezogen
  • 2013: Cocktailwirkung, Uni London
  • Immunsystem der Amphibien wird stark geschädigt
  • 2013: Maryland USA
  • Von 19 Pollenproben: 21 verschiedene Pestizide
  • Antimilbenmittel schaukeln die Wirkung hoch (Varroa-Mittel!)
  • Neonicotinoide töten Insekten
  • Michael Henry (2012) : Störung der Orientierung
  • Menzel Berlin (2014) „innere“ Landkarte gestört
  • Michael Otto-Institut
  • Vögel auf Feldern: Nahrungskette stark geschädigt

Metastudie 2014:

  • Neonikotinoide langlebiger als gedacht
  • Abbauprozess gefährlicher als gedacht

Statements verschiedener Interessenvertreter

Michael Diestel (Bayerischer Bauernverband, Geschäftsstelle Bad Neustadt a. d. Saale, Geschäftsführer)
Klaus Klingert (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt a. d. Saale, Behördenleiter und Bereichsleiter Forsten)
Eberhard Räder (Sprecher der Biobauern in der Region)
Georg Hansul (Landratsamt Rhön-Grabfeld, Sachgebiet Gartenkultur)
Annette Seehaus-Arnold (1. Vorsitzende Imker Rhön-Grabfeld e. V.)

Statement von Annette Seehaus-Arnold als Interessenvertreterin der Imker:

Die Biene ist der Umweltindikator Nr. 1. Sie zeigt uns als erstes, wenn in der Umwelt etwas nicht stimmt. Für uns Imker ist ein Bienenvolk nicht einfach nur ein Nutztier, sondern wir lieben sie, wie andere Menschen ihre Haustiere. Deshalb empfinden wir den Verlust eines Volkes auch wie den Verlust eines geliebten Haustieres. Die Völkerverluste der vergangenen Jahre waren deshalb für uns Imker eine schwere Tragödie, die viel Herzblut gekostet hat. Stirb ein Bienenvolk, stirbt es leise und vom Rest der Bevölkerung auch unbemerkt.

In diesem Frühling standen viele unserer Imkerinnen und Imker vor ihren toten Völkern und noch tragischer vor leeren Kästen. Die Varroa-Milbe alleine kann solche Schäden nicht verursachen. Sie ist lediglich der Totengräber.

Sehr viele Gartenbesitzer haben besorgt bei den Imkern nachgefragt, warum sie keine Bienen mehr sehen. Sie haben die Bienen in ihren Bäumen und Sträuchern vermisst. Viele Kleingartenbesitzer haben weniger Obst und Gemüse geerntet.

Wie lange soll das noch so weitergehen? Bis auch das letzte Volk gestorben ist? Es muss endlich ein Umdenken in den Köpfen aller, und damit meine ich wirklich aller Menschen stattfinden. Denn es ist immer einfach auf andere zu zeigen, wir alle – auch als Bürger - stehen in der Verantwortung. Wir entscheiden täglich mindestens 3 mal mit Messer und Gabel, wie unsere Landwirtschaft arbeitet. Nutzen wir die Macht als Verbraucher.

Diskussionen zum Thema

Zahlreiche Gäste nutzten die Gelegenheit und nahmen an der Diskussion rund um das Thema Pestizide teil.

 


Der Kreisverband bedankt sich für das große Interesse an der Veranstaltung. Der Dank geht insbesondere an die verschiedenen Interessenvertreter, da sie ihre Anliegen sachlich vortrugen. Schließlich ist gerade bei diesem Thema ein gegenseitiges Verständnis ein erster Schritt, um die Problematik des Einsatzes von Pestiziden zu entschärfen.

(d.s.)